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Viele Daten, zu wenig Anwendung – ein Daten-Strategie-Ansatz für Gesundheits-institutionen

Aktualisiert: 30. Mai 2022

Zur sinnvollen Nutzung von Datenanalysen und künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen kann eine ins eigene Datenökosystem integrierte Daten-Strategie erfolgsversprechend sein.


Autor: Sanna Gubler und François Muller

 

«Gesundheitsdaten sind das Öl der Zukunft» lautet ein Spruch, den wir oft in Gesprächen mit diversen Gesundheitsakteuren hören. Gleichzeitig werden immer mehr Daten produziert. Ein Beispiel hierfür ist die Erfassung von PROMs-Daten im Rahmen der Bestrebungen hin zu Value-based healthcare. Unserer Erfahrung nach werden jedoch zu wenig Daten einer konkreten primären, sekundären oder tertiären Nutzung zugeführt. Das Potenzial, Daten zur Verbesserung der medizinischen und pflegerischen Betreuung von Patienten, zur verbesserten Steuerung des Gesundheitswesens und seiner Institutionen sowie zu Forschungszwecken zu nutzen, ist bei weitem nicht ausgeschöpft. Der Grund hierfür ist, dass Daten oft erfasst werden, ohne dass die konkrete Nutzung vorab geklärt ist. Es fehlen ein strukturiertes Datenökosystem sowohl auf nationaler als auch auf Institutions-Ebene und eine konkrete Umsetzungsstrategie.


Ein Datenökosystem im Gesundheitswesen

Datenanalysen beruhen auf intelligenten Methoden und Algorithmen, welche heterogene Daten zusammentragen, integrieren und in Echtzeit analysieren und auswerten (Datenanalyse: Abbildung 1) [1]. Damit diese jedoch effizient, zielführend und sicher angewendet werden können, muss das darum liegende Ökosystem entsprechend aufgestellt sein [2]. Ob das Ökosystem auf individueller, regionaler oder nationaler Ebene besteht, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass alle für die Analyse entscheidenden Stakeholder und Erfolgsfaktoren berücksichtigt werden und ein möglichst freier und sicherer Datenaustausch zwischen den beteiligten Akteuren gewährleistet ist [3]. Personalisierte Medizin, neue, technische Innovationen und eine effiziente, sichere Gesundheitsversorgung versprechen ein stringentes Gesundheitsdatenökosystem [3].



Abbildung 1 | Datenökosystem im Gesundheitswesen (eigene Darstellung in Anlehnung an [1–3])


Gesundheitsdaten beziehen sich längst nicht mehr nur auf den klinischen Kontext. Alle Angaben, die auf den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden einer Person hindeuten (z.B. CT-Scans, Umweltdaten oder auch Smart-Watch-Aufzeichnungen), sind Bestandteile des Systems [2]. Eine grundlegende Dateninfrastruktur, mit welcher Daten erhoben, gespeichert und geteilt werden können, ist somit zentral für ein Datenökosystem. Hierfür kann ein sogenanntes «Data-Warehouse» genutzt werden, womit Daten aus unterschiedlichen Datenquellen zusammengeführt, gesammelt und gesichert werden können [4].


Durch das Schweizer Datenschutzgesetz werden Gesundheitsdaten als besonders schützenswert klassifiziert (DSG, Art. 3, c). Rechtliche Grundlagen, Sicherheitsvorkehrungen und Zugriffsrechte müssen in einem abgeschlossenen Ökosystem von Beginn an klar bestimmt, fortlaufend überprüft und eingehalten werden. Eigene Standards bezüglich Datenqualität, Infrastruktur und Datennutzung können diesbezüglich helfen. Dabei sollten jeweils technische Limitationen und ethische Fragestellungen mitberücksichtigt werden, damit das nötige Vertrauen und eine Interoperabilität geschaffen werden können [5]. [3]


Beteiligte in einem Datenökosystem einer Gesundheitsinstitution können Patienten*innen, Gesundheitsfachpersonen, Leistungserbringer*innen oder auch Datenanalyse-Fachkräfte sein. Den Datenanalyse-Fachkräften kommt eine zentrale Rolle zu, da für sie die Funktionsweise der angewandten Methoden und Algorithmen jederzeit verständlich sein muss und sie die Ergebnisse richtig einordnen können müssen [6]. Sie benötigen zudem die Kompetenz, das System zu unterhalten, zu betreiben und zu nutzen. [3]


Ein Daten-Strategie-Ansatz

Damit die vielen Vorteile von Datenanalysen und künstlicher Intelligenz in Gesundheitsinstitutionen genutzt werden können, kann die Abstimmung derer auf das eigene Datenökosystem und die Unternehmensstrategie zentral sein. Wir, Muller Healthcare Consulting, verwenden hierfür eine vierteilige Daten-Strategie-Entwicklung (Abbildung 2):



Abbildung 2 | Daten-Strategie-Entwicklung Muller Healthcare Consulting (eigene Abbildung)


Das Fundament der Daten-Strategie-Entwicklung ist die Unternehmensstrategie. Diese gibt als Basis die strategischen Ziele vor, welche durch Datenanalysen und datengesteuerte Tools unterstützt und angegangen werden sollen. Die aus der Daten-Strategie erzielten Beiträge, dies können beispielsweise neue Tools, Erkenntnisse oder Effizienzgewinne sein, fliessen langfristig wieder in die Unternehmensstrategie mit ein.


Die Daten-Strategie-Entwicklung beginnt mit einer Zieldefinition. Basierend auf dem Strategiefeld/-ziel, welches durch Datenanalysen optimiert werden soll, wird evaluiert, welche Erkenntnisse aus den Daten gewonnen werden sollen und welche Daten hierfür gebraucht werden. Dieser Schritt wird in enger Abstimmung mit der Unternehmensleitung vollzogen. Zudem werden die Ziele nach primärer, sekundärer und tertiärer Datennutzung bestimmt. Ein konkretes Beispiel hierfür könnte das Ziel zur Patientenauslastungs-Steigerung sein. Es sollen also mehr Patienten mit der bestehenden Infrastruktur behandelt werden können. Dieses Ziel kann beispielsweise durch die Optimierung von OP-Auslastungszeiten mittels durch künstliche Intelligenz unterstützte Projektionen angegangen werden und würde in den Bereich der sekundären Datennutzung fallen.


Im zweiten Schritt geht es um die Analyse des Datenökosystems, wobei alle zentralen Ökosystem-Bestandteile (Abbildung 1) auf das anzugehende Ziel geprüft werden. Welche «Reportings» werden in welcher Frequenz an wen gemacht? Wer hat Zugang zu den betroffenen Daten? Was gibt es für Tools und Lösungen, die für das angegangene Ziel geeignet sind? Welche Daten werden wo erfasst? Wo werden anonymisierte oder pseudonymisierte Daten verwendet? Wie viel Know-How hat das Personal und wie sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen für diese Daten aus? Zudem wird jeweils untersucht, in welcher Form die Daten vorliegen. Sind es strukturierte Daten in einer normalisierten Form oder sind sie unstrukturiert, wie beispielsweise handschriftliche Texte oder Video-Dateien. Meist bestehen hier bereits technisch hochentwickelte Systeme, welche viele Daten erheben und speichern. OP-Planungstools erfassen z.B. die Schnitt-Naht-Zeit der unterschiedlichen Chirurgen, diese Daten können zur optimierten Planung eingesetzt werden und helfen somit die Kapazitätsauslastung zu verbessern.


Basierend auf diesen Analysen wird eine Daten- und Datenfluss-Definition ausgearbeitet. Dazu wird geprüft, wie der optimale Datenfluss aussehen muss, damit die zu Beginn gesetzten Ziele erreicht werden können. Zusätzlich werden die geeignete Form und Qualität der Daten definiert. Hier empfiehlt sich die Erstellung eines «Data-Definition-Manual», welches die zu erhebenden Daten normiert. Aufgrund dieser Abwägungen wird schliesslich eine Datenarchitektur ausgearbeitet, welche die Datenflüsse und auch Zugänge aufzeigt. Bezüglich des Beispiels könnte zur besseren Auslastung eine agile OP-Planung angestrebt werden, wobei vergangenen OP-Daten (OP-Zeiten), Angaben über behandelnde Ärzte und Fachkräfte sowie Patientenangaben (Hinweise auf mögliche Komplikationen) miteinfliessen.


Abschliessend geht es um die konkrete Umsetzung. In diesem Schritt ist es wichtig, die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Gewährleistung der Datensicherheit laufend im Auge zu behalten. Je nach Umsetzungsansatz müssen neue Tools, wie beispielsweise Softwarelösungen oder ein Data-Warehouse (DWH), beschaffen werden. Die konkrete Umsetzung, mit allen neuen Bestimmungen und Anpassungen, wird in einer «Umsetzungsroadmap» festgehalten.


Quellen

  1. Abidi SSR, Abidi SR. Intelligent health data analytics: A convergence of artificial intelligence and big data. Healthc Manag Forum. 2019;32(4):178–182. doi:10.1177/0840470419846134

  2. Brauchbar M, Steiger D, Stevanovic N. « Den Wert von Daten beleben » Datenbasierte Gesundheitswirtschaft in der Schweiz. Life Sci Clust Basel – eine Initiat der Handel beider Basel. Published online 2021. https://www.lifesciencesbasel.com/fileadmin/files/wissen/documents/2021_06_04_Dossier_Gesundheitsdatenwirtschaft_HKBB.pdf

  3. ERFOLGSFAKTOR Digitales Gesundheitsdatenökosystem. Interpharma. Published online 2021. https://www.interpharma.ch/wp-content/uploads/2021/09/20210813_iph_narrativ_a4_web_final-D.pdf

  4. Luber S, Litzel N. Was ist ein Data Warehouse? Published 2017. https://www.bigdata-insider.de/was-ist-ein-data-warehouse-a-606701/

  5. Buholzer R. Warum die Schweiz ein Gesundheitsdatenökosystem braucht und wie der Weg dorthin aussehen könnte. Heime & Spitäler. Published online 2021. https://www.heimeundspitaeler.ch/politik/warum-die-schweiz-ein-gesundheitsdatenoekosystem-braucht-und-wie-der-weg-dorthin-aussehen-koennte

  6. Chen M, Decary M. Artificial intelligence in healthcare: An essential guide for health leaders. Healthc Manag Forum. 2020;33(1):10–18. doi:10.1177/0840470419873123



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