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  • AutorenbildAndrea Preuss

Was kommt nach der Coronavirus-Krise?

Aktualisiert: 11. Apr. 2022

Nachhaltige Infektionsprävention

Kein anderes Thema prägt unser Leben im Moment so sehr wie Covid-19. Die Infektionsraten sinken und der Bundesrat hat den Plan zur Lockerung der Massnahmen letzte Woche präsentiert. Aber was kommt nach der Krise? Es ist an der Zeit, darüber hinaus zu denken. In einer mehrteiligen Serie beschäftigen wir uns mit dem Thema «Nachhaltige Infektionsprävention» - wie Infektionsprävention auch langfristig umgesetzt werden kann, ohne das öffentliche Leben zu stark zu beeinflussen.

Die Schweiz im Lockdown


Aufgrund der Coronavirus-Pandemie bestimmen im Moment immer noch weitreichende Einschränkungen das öffentliche Leben. In der Schweiz besteht ein weitgehendes Kontaktverbot. Treffen sind nur in Gruppen mit maximal fünf Personen erlaubt, solange ein Mindestabstand von 2 m eingehalten werden kann. Universitäten, Schulen und Kitas haben geschlossen, ebenso alle Läden ausser denen für Lebensmittel. Alle Restaurants und Bars, sämtliche kulturellen Einrichtungen sind zu. Jegliche Veranstaltungen ob Kultur, Sport oder Party sind abgesagt. Kurz gesagt, das öffentliche Leben ist in weiten Teilen zum Erliegen gekommen.


Diese Einschränkungen sind nicht über längere Zeit durchzuhalten. Die Schäden für Wirtschaft und die Gesellschaft allgemein sind kaum absehbar.


Schutz der Wirtschaft ist auch Gesundheitsschutz


Aus Wirtschaftskrisen der letzten Jahrzehnte weiss man, dass auch (Massen)arbeitslosigkeit und gesellschaftlicher Abstieg oder soziales Elend Menschen krank machen kann, und zwar insbesondere in den verletzlicheren Bevölkerungsgruppen (European Observatory on Health Systems and Policies, 2014).


Ganz allgemein und unabhängig von akuten Krisen sind die Unterschiede in der Lebenserwartung, die mit einem tieferen sozioökonomischen Status von Menschen einhergehen, umfassend beschrieben (WHO Media Centre, 2019).


In der derzeitigen Krise wird die Gesundheit als Ziel beschrieben, das über allen anderen steht. Aus nachvollziehbaren Gründen wird die Wirtschaft diesem Ziel zunächst untergeordnet. Wie in der Schweiz versuchen Regierungen in vielen Ländern, den Schaden für die Wirtschaft durch finanzielle Hilfspakete und vereinfachten Zugang zu Krediten abzufedern. Allerdings sichern auch diese Finanzhilfen das Überleben von Betrieben nur, wenn diese ihren Betrieb in absehbarer Zeit wieder aufnehmen und die Menschen wieder vermehrt ihren Aktivitäten nachgehen können.


Diese Finanzpakete stehen aber nicht im Gegensatz zum Gesundheitsziel, sondern müssen aus den oben genannten Gründen Teil davon sein. Wirtschaft und Gesundheit sind kein Gegensatzpaar oder anders gesagt: neben dem rein monetären Aspekt dient der Schutz der Wirtschaft ebenso dem Schutz der Gesundheit in den kommenden Jahren.


Infektionskrankheiten neben Covid-19


Zudem soll dabei nicht ganz vergessen gehen, wie viel Opfer eine jährliche Grippe-Epidemie fordert, nämlich etwa 1000 bis 1500 Menschenleben allein in der Schweiz (Knellwolf & Sieghart, 2019) und weltweit bis zu 650'000 (WHO Media Centre, 2017). Weltweit sterben auch deutlich über eine Million Menschen jährlich an Tuberkulose (WHO Newsroom, 2020). Ebenso können wir nicht ignorieren, dass die Probleme mit multiresistenten Krankheitserregern in der ganzen Welt zunehmen. Schätzungen belaufen sich auf bis zu 470 Mio. Todesfälle aufgrund von Infektionen mit multiresistenten Keimen pro Jahr weltweit (Interagency Coordination Group on Antimicrobial Resistance, 2019). Es gibt also durchaus andere bedeutende Infektionskrankheiten, mit denen wir uns befassen müssen.

Nachhaltige Infektionsprävention


Für die Coronavirus-Pandemie braucht es einen Plan zur stufenweisen Aufhebung der Einschränkungen (#wecannotstayhomeforever), an dem in der Schweiz derzeit gearbeitet wird. Für alle Betriebe und Einrichtungen werden Schutzkonzepte verlangt, bevor diese wieder öffnen können. Ganz allgemein braucht es Verfahrensweisen, mit denen sichergestellt werden kann, dass die Verbreitung dieses Virus in den nächsten Wochen und auch in der Zukunft reduziert bleibt. Diese helfen dann auch z. B. während der nächsten Grippesaison – nachhaltige Infektions­prävention wird dabei eine Schlüsselfunktion haben (#sustainedinfectioncontrol).


Dabei sind strukturelle Initiativen genauso wichtig wie Ansätze beim Verhalten der Bevölkerung, es ist ein ganzes Bündel an Massnahmen auf unterschiedlichsten Ebenen notwendig.


Wo ansetzen?


Gründliche Händehygiene ist sicherlich oberstes Gebot. Aber wer hat schon verinnerlicht, wie es richtig geht, sodass das Händewaschen am Waschbecken oder die Händedesinfektion unterwegs wirklich effizient und wirksam sind? Ist ausreichend bekannt, dass es für eine wirksame Händehygiene auch eine gute Pflege braucht, da rissige, aufgesprungene Haut das ständige Waschen zur Qual werden lässt - sodass man es gerne vermeidet – und es zudem noch weniger wirksam macht?


Abstand halten, die goldene Regel während der Coronavirus-Krise, ist eins der wirksamsten Mittel, um eine Infektion durch Tröpfchenübertragung zu vermeiden. Dazu braucht es jedoch Konsistenz bei den Massnahmen. Es ist sicher hilfreich, wenn im Supermarkt Markierungen auf dem Boden vor der Kasse helfen, den Abstand von 2 m einzuhalten. Wie sieht es jedoch dahinter aus, wenn alle Kunden gleichzeitig durchgelassen werden und beim Einpacken der Einkäufe am Ende der Kasse dieser Abstand bei weitem nicht mehr möglich ist? Ist ein Schutzkonzept für einen Supermarkt auch für das Gartencenter und das Bekleidungsgeschäft geeignet?


Das Tragen von Hygienemasken in der allgemeinen Bevölkerung wird im Augenblick besonders viel diskutiert und in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt. Hat es nun einen Effekt oder nicht, wie sieht die Evidenzlage aus? Kann es also empfehlenswert sein, um die momentanen Einschränkungen nach und nach zu lockern und kann es dann auch später in bestimmten Situationen helfen? Aber vor allem: Auf was kommt es dabei an?

Ein Bündel von Massnahmen muss sich wie in einem Puzzle zusammenfügen. Ansätze beim Verhalten müssen mit strukturellen Vorgaben kombiniert werden.

Bleiben Sie dran!

Diese und verwandte Themen werden wir in den nächsten Wochen aufgreifen. Sie werden uns im Sinne einer nachhaltigen Infektionsprävention für die Zukunft beschäftigen.

 

Dr. Andrea Preuss ist Gastautorin mit langjähriger Industrie-Erfahrung in der Hygiene und Infektions­prävention. In einer mehrteiligen Serie greift sie für uns ausgewählte Themen in diesem Fachgebiet auf.

Literaturverzeichnis

European Observatory on Health Systems and Policies. (2014). Economic crisis, health systems and health in Europe: impact and implications for policy. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe.


Interagency Coordination Group on Antimicrobial Resistance. (2019). No Time to Wait: Securing the Future from Drug-Resistant Infections - Report to the Secretary-General of the United Nations. WHO.


Knellwolf, B., & Sieghart, L. (2019, November 3). Die Grippewelle kommt - das müssen Sie über die Influenza wissen. St. Galler Tagblatt, online. Retrieved from https://www.tagblatt.ch/leben/die-grippewelle-kommt-das-muessen-sie-ueber-die-influenza-wissen-wie-ein-neues-medikament-bei-der-bekaempfung-der-krankheit-helfen-koennte-ld.1165154


WHO Media Centre. (2017, December 13). WHO Website. Retrieved from https://www.who.int/mediacentre/news/statements/2017/flu/en/

WHO Media Centre. (2019, September 10). WHO Website. Retrieved from http://www.euro.who.int/en/media-centre/sections/press-releases/2019/progress-on-health-equity-is-stalling-across-europe-new-who-report-reveals-gaps-can-be-reduced-within-the-lifetime-of-a-single-government


WHO Newsroom. (2020, März 24). WHO Website. Retrieved from https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/tuberculosis

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